Vorgestern war es soweit: Ich habe mir „Embrace“ im UCI in der Berliner Kulturbrauerei angesehen und hatte einen richtigen Fangirlmoment (vor dem auch Psychologinnen alles andere als gefeit sind) als Taryn Brumfitt und Nora Tschirner nach dem Film live vors Publikum traten, um Fragen zu beantworten.
Wie ich den Film fand, welche Fragen gestellt wurden und welche Antworten Taryn und Nora gaben, lest ihr im Artikel. Wenn ihr keine Gelegenheit hattet, den Film zu sehen: Ab 18. Mai ist „Embrace“ auch auf DVD und VoD erhältlich.
Der Embrace-Filmabend
Was hatte ich mich auf diesen Film gefreut und meine Vorfreude wurde nicht enttäuscht! Der Vorverkauf der Karten lief übrigens so gut, das der Film kurzerhand noch in einem zweiten Saal gezeigt wurde. Eine weitere Sondervorstellung in diesem UCI gibt es außerdem am 16. Mai.
Der Film selbst hat mich sehr berührt und mir flossen an vielen Stellen die Tränen. Obwohl ich mich in meiner Arbeit tagtäglich mit dem Thema Körperakzeptanz beschäftige, bin ich doch immer wieder erschüttert, wie sehr Menschen sich selbst und ihren Körper ablehnen können. Und wie groß die gesellschaftliche Ablehnung aufgrund purer oberflächlicher Äußerlichkeiten sein kann!
Taryn stellt in ihrem Film nicht nur Frauen vor, die sich aufgrund ihres Gewichts ablehnen oder Ablehnung erfahren, sondern die beispielsweise auch aufgrund starker Verbrennungen, ungewöhnlichen Haarwuchses, gelähmter Gesichtszüge oder einer transsexuellen Identität auffallen.
Besonders beeindruckt hat mich die Art, wie diese Frauen es geschafft haben, aus einem vermeintlichen Manko Stärke und Selbstbewusstsein zu gewinnen! Mir gefällt an Embrace sehr, dass hier nicht nur „Betroffenheitskino“ gezeigt wird, bei dem man am Ende ganz erschöpft und niedergeschmettert aus dem Kino kommt. Sondern Embrace hat etwas sehr Bestärkendes, Hoffnung vermittelndes, enthält eine ordentliche Portion Humor und vor allem viel Wärme und Respekt für seine Protagonist_innen.
Liveauftritt von Tayrn Brumfitt und Nora Tschirner
Nach der Vorstellung wurden die Besucher_innen des zweiten Saals mit in den ersten Saal gebeten, was einen sehr kuschelig vollen Kinosaal zur Folge hatte 😉 Danach traten Taryn und Nora vor die Leinwand und wurden mit Standing Ovations begrüßt. Leider war mein Smartphone absolut überfordert, in einem ziemlich dunklen Saal aus der letzten Reihe scharfe Bilder zu schießen. Hier seht ihr trotzdem Nora, Taryn und Benjamin Herrmann, den Gründer des Majestic-Filmverleihs, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass „Embrace“ überhaupt in deutschen Kinos lief:
Wird Embrace an Schulen gezeigt werden?
Wie die Fragen im Anschluss zeigten, war ich nicht die Einzige, die sich dachte, dass dieser Film eigentlich an Schulen laufen müsste! Nora berichtete, dass sie tatsächlich daran arbeiten, den Film inklusive Lehrmaterialien an deutsche Schulen zu bringen. Ich begrüße das sehr, kann mir jedoch vorstellen, dass das ein schwieriges Unterfangen wird, weil im Film im Zusammenhang mit Schönheitsoperationen beispielsweise auch nackte Brüste zu sehen sind sowie Bilder, die die Vielfalt von Schamlippen zeigen. Der Film ist unter anderem aufgrund dieser Bilder sowie Szenen aus echten Schönheits-OPs auch erst ab 12 Jahren freigegeben und ich würde ihn auch keinen jüngeren Kindern vorführen!
Exkurs: Schulfach „Körper und Sexualität, Kommunikation und Beziehungen“ Mein Traum ist ein Schulfach, das ab der Pubertät über die Entwicklung des Körpers und Sexualität aufklärt sowie Kommunikationsfähigkeiten und Beziehungsfertigkeiten vermittelt. Die Lehrer_innen, die dieses Schulfach bestreiten, wären durch ein Nebenfach in Sexualpädagogik und Kommunikationspsychologie darauf vorbereitet. Alternativ könnte man auch versuchen, die großartige Sexologin Ann-Marlene Henning zu klonen (siehe „Make Love“ Staffel 1 Folge 2), um sie an alle deutschen Schulen zu schicken, doch ich fürchte, das wird nicht möglich sein. Spaß beiseite: Die Darstellung nackter, nicht-operierter oder -retuschierter Sexualorgane wie sie in Embrace zu sehen ist, halte ich für wichtig, denn vor allem junge Frauen sind inzwischen eine wachsende Zielgruppe für sogenannte Intimoperationen und lassen sich die inneren Schamlippen verkleinern. Viele haben keine Ahnung, wie die inneren und äußeren Schamlippen anderer Frauen aussehen, und kennen nur die Bilder meist operierter Darstellerinnen aus Pornofilmen. Sicher gibt es dabei noch viele Fragen zu bedenken, zum Beispiel ob es nicht besser wäre, Jungs und Mädchen in manchen Teilen des Unterrichts zu trennen. Ich als pubertierendes Mädchen hätte jedenfalls kein Bedürfnis gehabt, die Veränderungen meines Körpers vor den Jungs meiner damaligen Klasse zu besprechen. Dass es aber wichtig ist, dass Schüler_innen überhaupt über die Veränderungen ihres Körpers in der Pubertät, über Sexualität und die häufige Frage, ob bei ihnen alles „normal“ ist, reden können, anstatt mit diesen Fragen und den Bildern aus verschiedenen Medien alleingelassen zu werden, halte ich für enorm wichtig! |
Wie kann ich meinen Selbsthass überwinden? Wie kann ich mich als Schauspielerin vom Schlankheitsdruck nicht unterkriegen lassen? Wie kann ich meiner Frau helfen, zu erkennen, wie schön sie eigentlich ist?
Diese drei Fragen kamen ebenfalls aus dem Publikum und ich möchte die Antworten von Taryn und Nora gern zusammenfassen:
- Selbstakzeptanz ist wie ein Muskel, der trainiert werden kann. Wir haben jahrelange Übung darin, unseren Körper abzulehnen oder zu hassen. Das umzulernen, braucht Zeit, Geduld und Mitgefühl.
- Macht einen Pakt mit anderen, z. B. euren Freundinnen, das bei gemeinsamen Treffen niemand etwas Negatives über den eigenen (oder auch andere) Körper sagen darf. Das ist vielleicht erstmal ungewohnt! Doch wenn nicht mehr über Diättipps und die vermeintlichen fünf Kilo zuviel gesprochen wird, wer weiß, welche interessanten Themen dann auftauchen?
- Such dir Vorbilder, die erfolgreich und glücklich sind, ohne dem aktuellen Schönheitsideal zu entsprechen. In meinem Artikel Körperpositive Webseiten, inspirierende Menschen & Stars findest du einige Beispiele.
- Schaut gemeinsam „Embrace“ und redet darüber.
- Auf der Homepage des Body Image Movements gibt es zudem viele weitere Tipps und Ressourcen.
Auch in meinem Artikel 8 Schritte, um Dich in Deinem Körper wohler zu fühlen findest du einige Anregungen oder lies dir die 7 Erkenntnisse aus dem Film bei Aquamondo durch. Ich wünsche dir auf deiner Reise zu mehr Selbstakzeptanz oder vielleicht sogar Selbstliebe viel Erfolg! Oder um es mit Taryn zu sagen:
Embrace your Body, it’s the only one you’ve got!
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